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MBA

Auf dieser Seite beschäftige ich mich mit der Frage, wie ein akademisches Ausbildungsprogramm für Unternehmer und Führungskräfte konstruiert sein soll. Natürlich spiegelt diese Darstellung meine persönliche Überzeugung wider, aber diese speist sich aus Erfahrungen, die ich von 2004 bis 2011 in der Leitung eines MBA-Programmes mit Entrepreneurship-Schwerpunkt an der staatlich akkreditierten PEF Privatuniversität für Management in Wien gewonnen habe.

1. Strukturelles Ausbildungsdesign

1.1 Kurs- oder Klassenprinzip: Was heißt Kurssystem? Im Prinzip, dass das gesamte MBA-Programm aus einzelnen Seminaren aufgebaut ist, die man zu beliebigen Zeitpunkten, wenn auch unter Einhaltung bestimmter Reihenfolgen, belegen kann. Der Vorteil ist große zeitliche Flexibilität – man kann den MBA je nach Lust und Terminplan in zwei Jahren oder auch z.B. in vier erwerben. Ein Klassenprinzip bedeutet hingegen, dass man das gesamte Programm in einer Klasse von zehn bis zwanzig Studierenden absolviert und zwar während des gesamten Studiums. Das bedeutet, dass alle Termine eines zweijährigen Programms bereits am Beginn feststehen und man sich die Zeit eben nehmen muss. Welches Prinzip ist nun besser? Ich bin überzeugt, dass beide zum Erfolg führen können, wenn sie konsequent angewandt werden, Mischformen halte ich hingegen für nicht zielführend. Persönlich bin ich ein großer Verfechter des Klassenprinzips, weil zwischen den Teilnehmern eine starke soziale Bindung entsteht, die zu gegenseitiger Unterstützung und Aufmunterung und zu Netzwerken, die auch nach dem Studienende halten, führt. Eine vielfach beobachtete Erfahrung im Erwachsenenlernen ist, dass die intensivsten Lernerfahrungen in Gruppen auftreten, wenn der Vortragende gerade nicht anwesend ist. Diese Lernerfahrungen werden durch ein Klassensystem gefördert.

1.2 Diversity oder Homogenität: Homogene Gruppen (z.B. lauter Diplomingenieure) haben den Vorteil, dass alle die gleichen Ausgangsvoraussetzungen mitbringen. Da kann man gesichertes Wissen voraussetzen, auf das man aufbauen kann. Diversity hingegen bedeutet, dass man starke Kommunikations- und Reflexionserfahrungen macht. Diversity bedeutet, eine MBA-Klasse heterogen zusammenzusetzen: Menschen mit unterschiedlichen Ausbildungen (Techniker, Geisteswissenschafter, Mediziner, Theologen, Juristen etc.), Menschen mit unterschiedlichen Berufen (Marketing, Controlling, Produktion, Entwicklung, etc.), Menschen aus unterschiedlichen Branchen und Unternehmensgrößen (Abteilungsleiter in Konzernen, Selbstständige, Unternehmensgründer, KMU-Manager, Geschäftsführer, Mitarbeiter von Nonprofit Organisationen etc.). Zu Diversity gehört auch ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis – 60:40 oder auch 30:70 ist ok, genau erwischt man es natürlich nie, und eine breite Altersverteilung, es sollten nicht alle Anfang 30 sein. Diese Diversity verlangt eine qualitativ höhere Lehrleistung von den Vortragenden, denn niemand darf sich unter-, aber auch niemand überfordert fühlen. Und man kann nicht immer bei den Basics beginnen, schließlich ist es ja ein Studiengang auf Masterniveau. Aber in einem nach dem Klassenprinzip aufgebauten Studiengang unterstützen einen die Kollegen ja, die Heterogenität hat hier sogar Vorteile: Jeder Vortragende ist mit mindestens einem Studierenden konfrontiert, der schon viel Erfahrung auf dem Fachgebiet hat und ihn fordert – das treibt die Qualität. Und dieser erfahrene Kollege unterstützt die anderen Studenten, für die das Fach Neuland ist. Schließlich ist jeder irgendwo Experte und irgendwo blutiger Anfänger, das trainiert, Unterstützung zu geben und auch zu nehmen – so wie es ja auch in einem gut geführten Unternehmen ist. Homogenität ist ein gutes Ausbildungsprinzip für Kinder und Jugendliche, für Erwachsene bietet Diversity bessere Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten.

1.3 General Management oder Spezialisierung: Viele MBA-Programme weltweit sind als General Management Programme konzipiert. Zunehmend gibt es aber vor allem in Österreich MBA-Studiengänge mit einer fachlichen Spezialisierung (z.B. Controlling und Finance oder Marketing) oder mit einem Branchenfokus (z.B. Gesundheitswesen, Luftfahrt oder sogar Event Management). Ich halte den General Management Approach für zielführender, obwohl man natürlich nicht von vorneherein den spezialisierten Programmen die Qualität absprechen kann. Die MBA Guidelines sind in diesem Punkt allerdings sehr klar: MBA ist für spezialisierte Programme die falsche Abschlussbezeichnung.

1.4 Zugangsvoraussetzungen: Zu den professionellen Voraussetzungen ist zu sagen, dass nach den Guidelines mindestens 2 Jahre Berufserfahrung vorhanden sein sollten. In Deutschland wird von der Hochschulgesetzgebung vieler Bundesländern ein Jahr als ausreichend angesehen. In Österreich gibt es gar keine gesetzliche Regelung dazu. Ich bin der Überzeugung, dass mit zunehmender Berufserfahrung die Nützlichkeit eines MBA-Studiums steigt. Ich empfehle daher vier bis fünf Jahre als Mindestvoraussetzung. Im Zweifel sollte man einem Bewerber raten, noch ein Jahr zu warten, um dann für sein Geld mehr aus dem Studium zu holen. Zu den akademischen Voraussetzungen ist festzustellen, dass ein erster Studienabschluss auf Bachelor- oder Diplomstudienniveau die übliche Voraussetzung sein sollte. Es gibt aber viele geeignete Bewerber, die dieses erste Studium nicht haben, etwa weil sie ihr Studium für eine gute Berufschance aufgegeben haben oder, vor allem bei älteren Bewerbern, weil ein Studium früher nicht erforderlich für eine Karriere und oft höheren sozialen Schichten vorbehalten war. Es hat wenig Sinn, eine 45jährige Geschäftsführerin einer Nonprofit-Organisation oder einen 40jährigen Leiter der Entwicklungsabteilung eines Konzerns in ein Bakkalaureatsstudium zu stecken, vielmehr ist bei vielen aus dieser Gruppe anzunehmen, dass das Eingangsniveau für ein Masterstudium vorhanden ist. Nach meiner Erfahrung ist das der Fall, wenn der Bewerber über mindestens zehn Jahre Berufserfahrung, darunter auch signifikante Managementerfahrung, verfügt und entweder selbstständig ist oder eine Position bekleidet, die heute üblicherweise mit akademisch qualifizierten Personen besetzt wird. In Österreich können Bewerber mit solchem Hintergrund zugelassen werden, dies wird auch sowohl von staatlichen als auch von privaten MBA-Anbietern praktiziert. In Deutschland ist die Notwendigkeit dafür erkannt, die hochschulrechtliche Umsetzung scheint aber schwierig zu sein und geht meist über die Umrechnung von Berufspraxis in äquivalente ECTS-Credits.

 

2. Defizite in der Entrepreneurship-Ausbildung

Neugründungen von Unternehmen oder von neuen Geschäftsfeldern in bestehenden Unternehmen erzeugen mehr Wachstum und schaffen mehr Arbeitsplätze als die normale Entwicklung existierender Unternehmen. Aus diesem Grund sehe ich die Notwendigkeit, den Fokus einer Managementausbildung weg vom traditionellen Management von Konzernen, hin zum Intra- und Entrepreneurship zu verlagern. In traditionellen Unternehmerausbildungen sind drei Defizite zu beobachten: Erstens fokussieren sie, wie leider die meisten MBA-Programme, auf die Stärkung analytischer Fähigkeiten und Methodenanwendung. Dies geht zu Lasten der Entwicklung sozialer und kommunikativer Kompetenzen. Zweitens leiden sie unter einem verengten Blick auf Unternehmensgründungen und haben das Idealbild schnell wachsender Unternehmen – von der Hinterhofgarage zum Weltkonzern – vor Augen. Es gibt aber unterschiedliche Motive, ein Unternehmen zu gründen. Langsames Wachstum muss kein Hinweis auf Erfolglosigkeit sein, sondern kann auch gewünscht sein. Drittens wird oft ein techno-kausales Managementverständnis vermittelt, wobei sachrationale Faktoren in den Vordergrund rücken und die soziokulturelle Ebene ausgeblendet wird. Gerade an den handelnden Personen bzw. an den ungeschriebenen Spielregeln scheitern aber oft Unternehmensgründungen oder Gründungen neuer strategischer Geschäftsfelder in bestehenden Unternehmen, viel häufiger als an fehlendem Geld oder schwacher Organisation.

3. Ein alternativer Ansatz für einen Entrepreneurship-MBA

Um die geschilderten Defizite zu beseitigen, haben wir unseren MBA am systemisch-konstruktivistischen Managementansatz orientiert. Herzstück ist eine „klinische Komponente“. Wir nehmen dabei Anleihen bei der Medizinausbildung, die ohne die Integration einer Universitätsklinik nicht denkbar wäre. Die Elemente dieses Ansatzes können in drei Bereiche – Inhalt, Didaktik und Klinikum – gegliedert werden.

3.1 Inhalt: Natürlich gehören Betriebswirtschaft und funktionales Management zu einem MBA. Es macht aber Sinn, den analytischen Teil auf Grundverständnis und Sprachkompetenz zu reduzieren, schließlich wird er üblicherweise ausgelagert, z.B. zum Steuerberater oder zur internen Buchhaltung. Aber man muss sich mit diesen Personen sachgerecht in deren eigener Terminologie unterhalten können. Wichtig ist der Aufbau von Leadership-Kompetenz, wofür ein theoretisches Fundament benötigt wird, das z.B. durch sozialpsychologische Inhalte gelegt wird.

3.2 Didaktik: Uns erscheinen zwei Elemente sehr wichtig: Erstens die Konzentration auf berufserfahrene Studierende. Zweitens ein Coachingelement, das die persönlichen Fähigkeiten der Studierenden erweitert. Dieses sollte sich an einem allgemein anerkannten, praxiserprobten und sehr intensiven und zielgerichteten Ansatz orientieren, z.B. am Solution Focussed Approach.

3.3 Klinische Komponente: Entrepreneurship kann man nicht lernen, man muss es erfahren, um es zu begreifen. Im „Entrepreneurship-Klinikum“ gründen die Studierenden ein Unternehmen oder (im Auftrag eines Unternehmens) ein neues strategisches Geschäftsfeld. Nur im persönlichen Erleben der Gründungssituation ist es möglich, sowohl sachrationale als auch soziokulturelle Aspekte zu erleben und somit auch ganzheitlich zu berücksichtigen. Nur in dieser Situation ist ein hohes Maß an persönlicher Motivation gesichert, weil die Studierenden entweder einen Auftraggeber haben oder, bei einer Eigengründung, der Erfolg maßgeblichen Einfluss auf ihre persönliche Situation hat. Ein weiteres wichtiges Element ist das unmittelbare Feedback, das die Studierenden durch die wissenschaftlichen Betreuer sowie durch ihre Studienkollegen in mehreren Feedbackschleifen erhalten.

4. Profil

Das Profil eines MBA-Programmes muss anwendungsorientiert und akademisch sein. Absolventen eines anwendungsorientierten Masterstudiums müssen über zwei Kompetenzen verfügen: Erstens müssen sie in der Lage sein, das erlernte Wissen in die berufliche Praxis umzusetzen. Das wird unter anderem durch große Projekte in der Vertiefung des Studienganges (z.B. durch die Erstellung eines Business Plans) gefördert. Zweitens müssen sie in der Lage sein, wissenschaftlich zu arbeiten und sich so auch nach Ende des Studiums selbstständig neues Wissen auf ihrem Gebiet schaffen können. Dazu dient eine Master Thesis. Diese soll nach meiner Überzeugung auch beim MBA eine wissenschaftliche Arbeit sein. Das heißt, sie soll einen allgemeinen Nutzen haben, sie soll eine konkrete Forschungsfrage stellen und sie soll diese Frage mittels geeigneter wissenschaftlicher Methoden beantworten. In den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften ist dazu im Normalfall ein empirischer Teil erforderlich. Als Methoden kommen quantitative oder – aufgrund der knappen Zeit bei der Erstellung einer Master Thesis – eher qualitative Methoden in Betracht. Jedenfalls sind eine gute Einführung in die Methodik durch geeignete Lehrveranstaltungen sowie eine intensive Betreuung durch die Hochschule während der Erstellung der Arbeit nötig. Die Qualität eines MBA-Anbieters erkennt man auch an der Intensität der Betreuung und an der Qualität der MT-Gutachten.

5. Beispiele für realisierte Businesspläne

Die folgenden Geschäftsideen sind Beispiele für Businesspläne aus dem von Peter Herbek und mir betreuten Unternehmensgründungsprojekt im Rahmen meines MBA Studienganges:

Baurestmassen-Recycling: Etablierung eines neuen Strategischen Geschäftsfeldes eines obersteirischen Schotter- und Kiesgewinnungs- sowie Erdbauunternehmens.

Dental Implantat Technology: Gründung eines auf die Entwicklung von hochqualitativen und innovativen Operationswerkzeugen für Kieferknochenaufbau zur Setzung von Zahnimplantaten spezialisierten Unternehmens. Das erste Produkt ist bereits zum Patent angemeldet.

Holzhaus: Etablierung eines auf Fertigung und Vertrieb von Holzhäusern spezialisierten Tochterunternehmens eines existierenden Zimmereibetriebes. Durch spezielle Bearbeitung wird aus günstigem Schnittholz ein hochwertiger Baustoff erzeugt, der in Sachen Stabilität, Langlebigkeit und Statik herkömmlichen Ziegel- und Betonbaustoffen gleicht.

Gründung eines auf technische Spezialreinigungen im Bereich des Food-, Lüftungs- und Hotelservices spezialisierten Tochterunternehmens eines bestehenden österreichischen Reinigungsunternehmens in einem CEE-Land.

Neuausrichtung des strategischen Geschäftsfeldes „Seminar- und Gästehaus“ eines katholischen Bildungshauses.

Gründung einer auf ganzheitliche Medizin spezialisierten Apotheke in der Steiermark.

Ausgliederung der Labordiagnostik eines Krebsforschungsinstitutes in ein Tochterunternehmen.

Das Ende der Liebhaberei: Ausbau einer Frühstückspension an einem Kärntner See zu einem Viersterne-Seehotel.

Entwicklung des kroatischen Marktes für Beratungsleistungen im Bereich Umwelt-, Infrastruktur- und Energietechnik durch Gründung eines Tochterunternehmens einer Grazer Beratungsfirma.

CNC Plasmaschneiden: Einführung eines neuen Geschäftsfeldes durch ein mittelständisches oststeirisches Unternehmen. Die neue Zuschnitttechnologie ermöglicht den Kunden dieses Unternehmens neue konstruktive Lösungen.

Parkett mit Patina: Gründung eines Tochterunternehmens eines bestehenden Holz verarbeitenden Betriebes, das in Osteuropa altes, patiniertes Holz aus Abbruchhäusern zu hochwertigen Brettern und Parketten verarbeitet und v. a. in UK und USA vermarktet.

Pelletsmaker: Gründung eines Unternehmens, das mobile Maschinen zur weitgehend automatisierten Verarbeitung von Forstabfällen zu Pellets produziert.

6. Lesestoff

Close Reality - An Entrepreneurial Component in Management Education
The Contribution of Psychological Entrepreneurship Research for Management Education


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